REISEGESCHICHTEN
EIFEL
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Eifelglück
Gefell, im Februar 2016
Ich fahre in die Eifel am Wochenende. Ach? Da bin ich früher immer mit meinen Eltern hingefahren. Und was macht man da so? Nichts Besonderes. Man ist einfach nur da. Hier wird der Tag noch vom Kirchenglöckchen bestimmt. Das bimmelt morgens um sieben und abends um sieben. Der Hahn weckt einen morgens um 8 und wird abends um 8 in den Stall gesperrt, damit sich die Hennen gütlich an ihm tun können. Der Metzger kennt die Tiere, die er schlachtet, mit Namen und macht eine herrliche Wurst aus ihnen. Die Luft ist klar, der Himmel blau. Die Internetverbindung ist schlecht. Dafür sind die Menschen offen und herzlich. Und zur Begrüßung der Feriengäste - sozusagen zur Feier des Tages - werden die Gartenzwerge bestialisch mit einem Küchenmesser zugerichtet. Schließlich ist die Eifel mittlerweile berühmt für Mord und Totschlag, jedenfalls in literarischer Form. Und montags fährt man nach Hause mit dem wundervollen Gefühl, das Leben in vollen Zügen genossen zu haben.
Backwahn
Kelberg, Vulkaneifel, im Juli 2018
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Backwahn * Landbrot * Kräuterlikör * Schneckentempo * Kartoffelpuffer
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Der Kartoffelpuffer war im Backwahn. Auf den Regalen der historischen Dorfbäckerei lagen zwischenzeitlich Land-
brote in allen Formen und Größen und die Stube war erfüllt vom Duft der warmen Laiber. Zu später Stunde erschien der Bürgermeister, prostete allen mit selbst gebranntem Kräuterlikör zu und beglückwünschte sie zum harmonischen Zusammenleben im Dorf. Kurz darauf fiel der erste Kelberger im Schneckentempo um und purzelte auf den Steinboden, der noch aus der Römerzeit stammte. Ihm folgten nach und nach alle, die von dem Original-Biobrot gekostet hatten. Nach Verbüßen seiner Gefängnisstrafe ist der Kartoffelpuffer nach Indien ausgewandert. Er lebt heute bei einem Bhagwan.
BRANDENBURG
Spreewald 2015
Spreewald im Mai 2017
Sumpfhuhn * Spreewaldwolf * Fährmann * Mondlicht * Gurkenschiffchen
Ein Gurkenschiffchen gleitet geräuschlos durch das knietiefe Wasser der Spree. Auf den Ästen der Stieleichen, die bis ins Wasser reichen, haben sich Wiedehopfe und Nachtalbe niedergelassen und durch das dichte Gebüsch streift ein Spreewaldwolf. Ein zu spät aufgewachtes Sumpfhuhn legt schnell noch ein Ei auf die feuchte Wiese, nichtahnend, dass es sein letztes sein wird. Und gleich, wenn die Sonne untergegangen ist, lockt der Fährmann, der alte Schwerenöter, eine zurückgebliebene Fremde in seinen Kahn, wohl wissend, dass dieses Abenteuer nur eine Nacht dauern wird.
Begegnet bin ich ihm an einem sonnigen Nachmittag an der Fondamenta Dei Vetrai auf Murano. Er schlich hinter einer kleinwüchsigen Venezianerin her, die eine bodenlange Jacke XXL trug und in Pantoffeln herum schluffte, die mindestens zwei Nummern zu groß waren. Ein einziges Trauerspiel die beiden und doch hatte diese Szene etwas, was mein Herz berührte.
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Ich habe ihm spontan den Namen „der alte Tag“ (il vecchio giorno) gegeben, dieser Promenadenmischung in schwarz auf vier stöck-chendünnen Beinen. Sein Körper erinnerte mich an ein Eintopf-gericht mit Wurst, nur doppelt so lang. Der dünne Schwanz schien an seinem kleinen Popo zu kleben und machte dann noch einen Schwung in die Höhe, um schließlich in einer Schwanzspitze zu enden, die wie ein vertrockneter Pinsel aussah, den ein Künstler vergessen hatte, sauber zu machen.
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Der kleine Kopf mit der spitzen, grauen Schnauze und den hoch-stehenden Miniohren wackelte bei jedem Schritt, so als ob er bald abfallen würde und auch seine Männlichkeit war nicht in bester Verfassung. Sie war in Relation zum Körper sehr groß und berührte fast den Boden. Einem Herrn der Schöpfung hätte man ein Suspensorium*1 verpasst, aber einem Hund?! Das würde nun doch wirklich zu weit gehen.
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Ich blickte den beiden noch eine ganze Weile hinterher und spürte, wie mich mit einem Mal eine tiefe Melancholie erfasste. Alt werden ist nicht schön und mit dieser Art von Hässlichkeit musste man erst einmal leben lernen. Da kann der Tod schon eine Erlösung sein, und weil il vecchio giorno das linke Ohr hängen ließ, hätte ich ihm am liebsten „Ohren hoch“ zugerufen; aber ich weiß leider nicht, wie das auf Italienisch heißt.
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Und so werden die beiden gleich hinter einer der Holztüren ver-schwinden. Il vecchio giorno wird sich ein ruhiges Plätzchen suchen. Bestenfalls eines, das mit einer Decke ausgestattet ist und Frauchen wird sich in einen verschlissenen Sessel ans Fenster setzen und an vergangene Zeiten denken.
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Ich befürchte, auch in diesen waren die alte Dame und ihr Hund nicht auf Rosen gebettet. Aber was heißt das schon, auf Rosen gebettet sein? Und ist es wirklich das, was uns glücklich macht?
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*1 Suspensorium=Tragbeutel, insbesondere für den Hodensack, med.
ZOUTELANDE
Im Mai 2017
Die Meerjungfrau
Sie lag am Strand und langweilte sich. Es herrschte Ebbe an Land und in ihr. Wehmütig blickte sie zwei verliebten Seepferdchen hinterher, die sich Handküsschen zuwarfen. Im feuchten Sand an der Wasserkante hatte die See ein Quallenpaar zurückgelassen, das hemmungslos stritt.
Ach, wenn der liebe Gott doch einmal Neptune regnen lassen könnte, wünschte sich das kleine Meerfräulein und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann kam die Flut und mit ihr ein Seehecht, der sein Handwerk verstand.
Und das Meer? Ja, das Meer hat jetzt eine Jungfrau weniger.