CROSSOVER

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22. September 2014, 19.00 Uhr

"Skulptur sucht Autor"

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Ausstellung Pirouette
Finissage Monika Otto
Buch- und Kunstkabinett Konrad Mönter KG
Kirchplatz 1-5
40670 Meerbusch
Tel. 02159/3530

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Lesung zur Vernissage
„Rapunzel oder der Erlkönig“
Werke von Monika Otto
im Mengehaus in Mönchengladbach

27.5x38x15 cm Foto: Monika Otto

Monika Otto, Schreibimpuls: Nachdenkende Mücke (2012)

Innerer Monolog einer alleinstehenden Schnecke

Ihre Schleimspur führt mitten durch die Küche, rund um den Putzeimer, dicht vorbei an dem Aufnehmer, der durchnässt unter einem der beiden nackten Arme liegt.

Sie spürt, wie sich ihre Nackenhaare sträuben. Tja, wenn sie schnell genug wäre, hätte sie die Flucht ergriffen und sich an die Fersen desjenigen geheftet, der für das, was hier in der letzten Stunde geschehen ist, die Verantwortung trägt. Dieser Schmutzfink hat zwar versucht, den größten Teil der Pfütze aufzuwischen, doch dann hat er wohl gemerkt, wie klebrig diese dunkelrote Flüssigkeit ist und hat angewidert das Weite gesucht.

Jetzt liegt die kleine Blonde, die ihr bisher immer Futter hingestellt hat, mit zerrissenem Nachthemd und Badelatschen an den Füßen, mit dem Kopf eingeklemmt zwischen Stuhlbein und Küchenschrank am Boden und ist bestimmt schon ganz ausgekühlt.

Sie hat es jedenfalls nicht verhindern können. Wie auch? Eine Schnecke hat doch so gut wie keine Möglichkeiten. Sich vollfressen und herum schleimen kann sie und sich vermehren, wenn sie das Glück hat, einen passenden Partner zu finden. Aber wie schwer es ist, jemanden zu finden, der einen liebt und der es wert ist, vervielfältigt zu werden, das sieht man ja hier.

Und das alles nur, weil das Blondchen zum zweiten Mal in dieser Woche verschlafen und ihm kein Frühstück zubereitet hat. „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag!“ hatte er gebrüllt, das Brotmesser gewetzt und ihr dann wütend in die Brust gestoßen.

Also dann bleibe ich lieber Single. Sagt es und flutscht lautlos über die Schwelle der vom Wind aufgeflogenen Terrassentüre.

Draußen auf der Terrasse sitzt schon eine ganze Weile ein stacheliger Zeitgenosse und wartet geduldig auf ein besonders leckeres Häppchen.

ENDE

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Skulptur sucht Autor

16.06.2012 nachtaktiv

Lesung im Kulturzentrum BIS in Mönchengladbach im Kulturzentrum BIS in Mönchengladbach

Foto: Jutta Chrisanth

Schreibimpuls:

Skulptur „Die Atlantin“ von Yvonne Müller-Mohnssen-Neumann

Vor Tagesanbruch

Es war das erste Kind, das sie unter dem Herzen trug. Ein Kind, das nie in ihren Armen liegen und nie seinen Vater kennenlernen würde.

Ihre größte Sorge war, dass es ihm ähnlich sein, die schrecklichen Attribute seiner Gewalt geerbt haben könnte.

Diese aufgedunsenen Finger, die ihren Körper gierig abgegriffen und überall gewaltsam in ihn eingedrungen sind, so, als ob sie das Terrain der Lust einer Inspektion unterziehen wollten.

Diese kalten Augen, deren bohrender Blick bis in die Tiefen ihrer Seele vorgedrungen war, und gnadenlos das, was in den Minuten danach passieren sollte, angekündigt hatte.

Die Wildheit seiner Bewegungen, die sie für eine nicht enden wollende Nacht gefangen genommen hatte, wie eine Sklavin.

Und wie es sich für eine gehorsame Leibeigene gehört, hatte sie über das, was unter der Palme geschehen war, geschwiegen. Ihre vollen Lippen nicht zu einem Schrei geöffnet, sondern aufeinander gepresst und die Verletzungen genauso hingenommen, wie alles andere, was sie in ihrem bisherigen Dasein zu erdulden gehabt hatte.

Tapfer die Dinge hinnehmen und Wunden klaglos heilen lassen, das hatte sie von den Frauen der Sippe gelernt.

Und trotz aller erlittenen Schmach würde die Sonne ihren prall gefüllten Bauch wärmen und ihr Mut machen, eine gute Mutter zu sein.

Shari schlug die Bettdecke auf, rollte sich zur Seite und richtete behutsam ihren schwerfällig gewordenen Körper auf. Dann blickte sie durch den Schlitz des Perlenvorhangs und beobachtete ihre Nachbarin Mali, die Feuer gemacht hatte.

Heißer Tee würde ihr jetzt gut tun und wieder einmal die Gespenster der Nacht vertreiben. Gespenster, von denen sie bisher niemandem in der Familie erzählt hatte, auch nicht ihrer Freundin Tea.

„Es ist vom Gewittergott“, hatte sie allen erzählt und erlaubte jedem, der es wollte, seine Hand auf den Bauch zu legen, wenn das, was bald das Licht der Welt erblicken würde, heftig mit den Füßen trat.

„Es wird schnell sein wie der Blitz, eine Stimme haben, grollend wie der Donner und den anderen Kindern Angst machen,“ hatte sie ihrer Mutter erzählt. Und die hatte sich von da an vor der Leibes-frucht gefürchtet.

Als man Shari Tage später kurz vor dem Sonnenuntergang fand, lag sie blutend unter einer Palme. Das Kind hing schreiend an der Nabelschnur. Sein Gebrüll war grollend wie der Donner.

Kito, der Junge aus der Nachbarhütte, holte Hilfe so schnell es ging.

Der kleine Schreihals wurde abgenabelt, in einen Weidenkorb gelegt und vor die Hütte der Großmutter gestellt.

Shari starb, ohne ihn je gesehen zu haben.

Der Stammesälteste bestand darauf, dass die Unglückselige nicht bei den Ahnen, sondern an der Stelle, an der sie ihr Kind entbunden hatte, beerdigt werden sollte.

Als man die Grabstätte aushob, fand man einen schwarzglänzenden Torso und daneben einen seit neun Monaten vermissten Kopf.

Den Säugling haben sie noch vor Tagesanbruch verstoßen.

ENDE

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